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Wie du ein besserer Texter wirst, indem du aufmerksamer bist


Ich bin dieser Tage auf dem Blog von Tim Ferris auf folgende Überschrift gestoßen:

How to Become a Better Writer by Becoming a Better Noticer

Tim Ferris kennst du, oder? Er hat vor Jahren mit seinem Buch „Die 4-Stunden-Woche“ mächtig Furore gemacht. Mittlerweile hat er einige Bücher mehr geschrieben, betreibt den Blog und einen Podcast und hilft vielen Leuten, ihr Leben und ihr Geschäft besser zu bewältigen. Unter anderem geht es bei ihm auch um Copy- und Contentwriting. Und in diesem Fall konkret um bessere Texte durch mehr Aufmerksamkeit. Der Text, auf den ich gestoßen bin, ist ein Gastartikel von Sam Apple. Er schreibt Bücher, veröffentlicht in Zeitungen und Magazinen und ist Professor an der Johns Hopkins University. Sein Fachgebiet ist wissenschaftliches und kreatives Schreiben. Da wir uns hier auf Art of Rebellion ebenfalls mit dem Texten befassen, ist das auf jeden Fall interessant für uns.

Bessere Texte durch mehr Aufmerksamkeit  

Sam Apple vertritt die These, dass du als Schriftsteller oder Texter eine andere Aufmerksamkeit, eine andere Wahrnehmung der Welt um dich herum haben musst, als „gewöhnliche“ Menschen. (Das ist nicht abwertend gemeint!). Er definiert diese andere Wahrnehmung als Kombination aus genauer Beobachtung und Einfühlungsvermögen.
Genaue Beobachtung
Laut Sam Apple besteht für einen Texter das Ziel der Aufmerksamkeit darin, das Objekt der Begierde auf eine Art und weise zu betrachten, die es plötzlich neu und interessanter erscheinen lässt, als es ist. Apple nennt das auch die Suche nach dem Außergewöhnlichen im Gewöhnlichen. Das ist des Geheimnis hinter dem Slogan bessere Texte durch mehr Aufmerksamkeit Das führt dann zu Texten, die ebenfalls das Außergewöhnliche plastisch herausstellen. Dazu sind im Artikel mehrere Beispiele aufgeführt. Ich greife nur das Beispiel des berühmten amerikanischen Schriftstellers David Foster Wallace und sein Werk „This is water“ heraus. Hier geht es um die Macht der Aufmerksamkeit, des Bemerkens von Dingen, die gewöhnlich nicht beachtet werden. Wallace schildert den stressigen Besuch in einem Supermarkt. Ein wenig aufmerksamer Beobachter würde die Szenerie so beschreiben: "Du gehst in den Laden, und er ist überfüllt. Die Kassiererin sieht wütend aus und die Einkaufswagen sind kaputt."

Der bessere Text durch mehr Aufmerksamkeit

Doch mit den Worten des aufmerksamen Beobachters Wallace entsteht eine andere, lebendige Szene vor unseren Augen: „Aber wie dem auch sei, schließlich kommt man an der Kasse an, bezahlt sein Essen und bekommt von einer Stimme, die die absolute Stimme des Todes ist, gesagt: "Einen schönen Tag noch". Dann musst du deine gruseligen, fadenscheinigen Plastiktüten mit Lebensmitteln in deinem Einkaufswagen mit dem einen verrückten Rad, das wahnsinnig nach links zieht, mitnehmen....“ Spürst du den Unterschied, den eine aufmerksame Beobachtung ausmacht? Natürlich gibt es nicht die alleinig richtige Art der Beobachtung. Aber du kannst schon einiges falsch machen. Besonders Anfänger übertreiben gern in dem Bemühen, möglichst viele Aspekte in einem Abschnitt oder gar einem Satz unterzubringen. Damit überfordern sie den Leser, der dann schnell abschaltet. Dazu führt Apple auch ein Bespiel auf, das ich hier zitiere: „Ich beobachte meine eigenen Hände beim Tippen und bemerke, wie sich meine faltigen Fingerknöchel bei jedem sanften Druck auf die schwarzen Plastiktasten, die dem sanften Druck meiner eiligen Fingerspitzen nachgeben, schnell über die rechteckige Tastatur heben und senken. „ Zu viele Einzelheiten, die den Leser nur ermüden und keine Relevanz für den Fortgang der Geschichte haben.
Einfühlungsvermögen 
Das Einfühlungsvermögen lässt dich praktisch hinter die Szenerie schauen und bringt dich weg von der reinen Schilderung des Beobachteten. Du findest Bilder und Assoziationen, mit denen du dem Leser eindrucksvoller klarmachst, was du zum Ausdruck bringen willst. Ja ich weiß, das ist jetzt schwer fassbar. Aber Sam Apple hat auch dafür ein Beispiel parat. Es stammt aus dem Roman „Leave the world behind“ von Rumaan Alam. In einer Szene ziemlich am Anfang des Buches fährt das Paar Clay und Amanda mit seinen Kindern auf der Autobahn. Clay wirft routinemäßig immer wieder einen Blick nach hinten und sieht, dass seine Kinder pausenlos mit ihren Mobiltelefonen spielen. Beim nächsten Kontrollblick hat Clay den Eindruck, die im Spiel bewegten Telefone wären Kobras und würden zum Klang einer fiktiven Flötenmelodie tanzen. Der Autor hat hier also schon die reine Schilderung einer Beobachtung verlassen und strebt nun einer Erkenntnis zu. Denn Clay wird plötzlich klar, dass seine Kinder die ganze Zeit über nichts von der großartigen Landschaft mitbekommen haben, durch die sie fahren.

Übungen zur besseren Aufmerksamkeit

Sam Apple hat einige Übungen entwickelt, um seine Studenten zu einer besseren Wahrnehmung anzuregen. Hier sind 5 Beispiele, mit denen du auch selbständig deine Aufmerksamkeit und das lebendige Texten trainieren kannst.
  • Deutsche Wortübung
In unserer Sprache gibt es eine Menge Wörter, die sich aus mehreren Teilen zusammensetzen und eine Sache oder einen Zustand anschaulich benennen. Beispiele sind Schadenfreude, Kummerspeck oder auch Politikverdrossenheit. Identifiziere eine Erfahrung oder einen Gefühlszustand, der noch keinen Namen hat. Beschreibe ihn und erfinde das Wort dazu.
  • Übung zur Suche nach dem Außergewöhnlichen im Gewöhnlichen
Nimm einen Alltagsgegenstand, beschreibe ihn detailliert und nenne seine Bedeutung für dich bzw. wie er dich zum Nachdenken anregt.
  • Alien-Übung
Stell dir vor, du bist als Außerirdischer zum ersten Mal auf der Erde und sollst das Leben der Menschen beschreiben. So kannst du die Menschen aus einem neuen und fremden Blickwinkel betrachten.
  • Wahrnehmungskette (sehr wichtige Übung)
Mache eine Beobachtung und beschreibe sie kurz. Dann beschreibe eine weitere Beobachtung, die auf der ersten aufbaut. Führe diese Kette bis zu 10 Glieder fort. Du wirst erstaunt sein, zu welchen Überlegungen dich das führt.
  • Lesen wie ein professioneller Texter
Die Art Texte, die du schreiben willst, musst du in großen Mengen lesen. Willst du Werbetexte schreiben, dann lies Werbetexte berühmter Vorbilder. Und zwar nicht nur einmal, sondern immer wieder. Mit der Zeit bekommst du ein Gefühl für die Texte. Du erkennst, wie sie konstruiert wurden und worauf ihre Wirkung beruht.   Wie gefallen dir die Übungen? Meinst du, sie könnten dir helfen, bessere Texte durch mehr Aufmerksamkeit zu schreiben?

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